Umgang mit Suizid in Medizinberufen

Umgang mit Suizid in Medizinberufen

von Marie

Anlässlich des Welttages zur Suizidprävention möchten wir hier eine Hilfestellung für betroffene Fachkräfte bieten, die in jeglicher Art und Weise in einen Suizidfall eingebunden sind oder waren.

Triggerwarnung:

Das Thema Suizid und der Umgang mit belastenden Situationen wird konkret thematisiert. Den Beginn des Themas markiert die ROTE ÜBERSCHRIFT unter den folgenden Hilfsangeboten.

Vorwort:

Solltest du persönlich oder jemand, der dir nahe steht mit Suizidgedanken zu kämpfen haben, dann wende dich bitte an eine der folgenden Beratungsstellen. Es ist möglich eine Lösung zu finden und mit der richtigen Hilfe und Unterstützung die Suizidgedanken zu überwinden. In den meisten Fällen geschieht das völlig anonym!

Telefonseelsorge Deutschland

Tel.: 0800.1110111 oder 0800.1110222

Website: https://www.telefonseelsorge.de/

Die Telefonseelsorge bietet ganz klassisch anonyme Telefonberatung, aber auch eine Online-Beratungsform und verschiedene Angebote vor Ort.

Depressions-Forum

Das Online "Diskussionsforum für Depression" bietet die Möglichkeit, sich anonym und ohne persönlichen Kontakt mit anderen Betroffenen auszutauschen oder selbst Erfahrungen weiterzugeben. Auch das ist eine Möglichkeit, wie du Hilfe bekommen kannst.

https://www.diskussionsforum-depression.de/

Wie gehe ich damit um, wenn ich einen Patienten während oder nach seinem Suizid betreue?

Vorweg möchten wir betonen, dass Dich NIEMALS die Schuld an einem Suizid einer anderen Person trifft, wenn du das Gefühl hast es zu spät bemerkt zu haben. Diese Entscheidung trifft jeder Mensch für sich selbst. Außerdem gibt es nie "nur einen konkreten Grund" für einen geplanten Suizid.

Der gesamte Prozess dauert über einen längeren Zeitraum an und gliedert sich zudem in mehrere Phasen (Erwägung, Ambivalenz, Entschluss).

Als Mitarbeiter*in im Gesundheitswesen wird man sicherlich immer wieder Berührungspunkte mit diesem Thema haben. Wir möchten im Folgenden darauf eingehen, wie Du Dir selbst nach belastenden Erlebnissen helfen oder Hilfe suchen kannst.

1. Dich trifft keine Schuld und Du hast auch nichts falsch gemacht!

2. Es ist normal, dass man unter Umständen lange braucht, um so ein Erlebnis zu verarbeiten. Es gibt keinen pauschalen Zeitraum, wie lange Verarbeitung und auch Trauer anhalten dürfen.

3. Sprich mit jemandem und ziehe einen Freund/eine Freundin ins Vertrauen. Sprich mit Deinem Partner/Deiner Partnerin oder Deiner Familie, wenn es Dir gut tut. Das geht auch mehrfach!

4. Sprich mit Leuten, die ggf. auch an der Situation beteiligt waren.

5. Nutze Angebote von Kriseninterventionsteams für alle Beteiligten oder nimm eine Seelsorge in Anspruch.

6. Wenn Du das Gefühl hast, dass Du der Sache allein nicht Herr wirst, dann scheue Dich nicht professionelle Hilfe eines Psychiaters oder Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen.

7. Nimm Dir Zeit für Dich und tue etwas, dass Dir ganz persönlich gut tut. Ein Ausflug vielleicht, um auf andere Gedanken zu kommen oder ein Kino-Besuch mit den besten Freunden.

8. Hast Du das Gefühl, dass ein Kollege oder eine Kollegin mit der Situation schwer zurecht kommt, dann biete das Gespräch an. Es kann euch beiden helfen darüber zu reden. Vielleicht geht ihr auch zusammen den Weg zu einer professionellen Beratungsstelle.

 

Ein weiteres Angebot - ergänzend zu den oben genannten - bietet "Pflege in Not". Ansässig in Berlin sind die Mitarbeiter*innen wie folgt zu erreichen und beraten auch Fachkräfte zu Themen von "Gewalt und Konfliktbewältigung".

Krisentelefon "Pflege in Not"

Bergmannstr. 44, 10961 Berlin (Kreuzberg)
Tel.: (030) 6959 8989, Mo – Fr 10.00 – 12.00 Uhr (Anrufbeantworter rund um die Uhr)
Fax: (030) 9659 8896

BeSu Berlin

Auch hier findet man Möglichkeiten, sich Hilfe zu suchen. Die "BeSu Berlin" bietet nach voriger Absprache Termine für Krisengespräche an.

https://www.besu-berlin.de/

Was tue ich, wenn Menschen in meiner Umgebung oder einer meiner Patienten Suizidgedanken äußern?

Die professionelle Pflege und andere Berufsgruppen des Medizin-Sektors sind zumeist sehr viel "näher" am Patienten, als bspw. die ärztlichen Kollegen - und das nicht nur im räumlichen Sinn, sondern vor allem im psychosozialen Zusammenhang.

Das heißt, dass die Erwartung an die Pflegekräfte sehr hoch ist, wenn es um Prävention und Früherkennung von psychischen Erkrankungen, Ausnahmesituationen oder suizidalen Absichten geht. Solltest Du den Verdacht haben, dass ein Patient oder eine Patientin mit solchen Gedanken beschäftigt ist, dann können Dir die nachfolgenden Punkte eine Hilfestellung im Umgang damit sein:

1. Auch an dieser Stelle betonen wir nocheinmal: Dich trifft keine Schuld! Du kannst die Situation nur begleiten und Hilfestellung bieten, aber Du kannst sie letztlich nicht verändern. Du kannst nur versuchen beratend und unterstützend zur Seite zu stehen.

2. Äußert jemand Dir gegenüber eindeutige (oder auch uneindeutige!) Aussagen, die auf Suizidgedanken schließen lassen, dann nimm es ernst! Scheu Dich nicht davor ein Gespräch zu beginnen oder einen Kollegen aus dem psychiatrischen Bereich hinzuzuziehen. Auch non-verbale Gesten können ein Hinweis sein (bspw. das andeuten eines "Kehlkopfschnittes" o.ä.).

3. Wenn Du Dich selbst nicht in der Lage fühlst, dem Betroffenen Hilfestellung zu bieten, dann ist das in Ordnung! Sorge aber bitte dafür, dass jemand anders das für dich übernimmt.

4. Sei offen und ehrlich mit Deinem Verdacht und hab keine Scheu vor Gesprächen über Tod und Sterben. Vermeide es, das Thema zu wechseln oder alles als "nicht so schlimm" herunterzuspielen. Höre zu!

5. Besprich Deinen Verdacht im Kollegium, sodass jeder über die potentielle Gefahr im Bilde ist. Nutzt die Möglichkeit zur regelmäßigen Evaluation der Patientensituation im Team. Bezieht auch Ärzte und Therapeuten mit ein.

6. Informiert (bei mündigen UND erwachsenen Patient:innen *) bitte NIEMALS ohne vorige Zustimmung des/der Betroffenen Angehörige oder Freunde. Das ist ein Vertrauensmissbrauch, wenn sich jemand euch gegenüber öffnet und kann suizidale Absichten schlimmstenfalls bestärken. Darüber hinaus gilt auch für solche Dinge erstmal die ärztliche Schweigepflicht!

*CAVE: "Generell sind Ärzte (und medizinisches Fachpersonal) verpflichtet, Stillschweigen über das, was Ihnen die Patienten anvertraut haben, zu wahren; dies ist im § 203 StGB festgelegt und gilt auch im Verhältnis zum Minderjährigen. Die ärztliche Schweigepflicht umfasst nicht nur den Gesundheitszustand des minderjährigen Patienten, sondern auch seine personenbezogenen Daten; dies gilt im Bedarf auch gegenüber den Erziehungsberechtigten." (https://www.medas.de/Der-minderjaehrige-Patient-)

->Ab dem 14. Lebensjahr kann (individuell verschieden) eine Einsichts- und Urteilsfähigkeit unterstellt werden. Ist der Patient / die Patientin reif genug, um sich der Tragweite ihrer Entscheidung bewusst zu sein, dann gilt die ärztliche Schweigepflicht auch gegenüber Erziehungsberechtigten!

7. Geh mit dem/ der Betroffenen ins Gespräch und informiere über das "Entfernen" von Gegenständen aus dem Raum, die einen Suizid ermöglichen würden und stelle sicher, dass Fenster verschlossen bzw. nur anklappbar sind.

8. Schaue in regelmäßigen Zeitabständen und lieber einmal öfter nach deinem Patienten. Ziehe ggf. eine Sitzwache in Betracht.

 

Diese Tips dienen lediglich der Hilfestellung und stellen keinen allgemeingültigen und allumfassenden "Fahrplan" dar. Die Liste kann ergänzt oder individuell auf die jeweilige Situation angepasst werden.

Sei ehrlich zu dir selbst und ehrlich zu deinem Patienten. Nimm deine Gefühle und auch die deines Gegenüber ernst und reagiere situationsabhängig darauf.

Gehe in den Austausch mit deinen Kollegen oder Freunden, so kannst du dir selbst Sicherheit geben.

 

Wir bedanken uns, wenn du bis hierhin gelesen hast und wünschen uns, dass dieser Beitrag eine Hilfestellung im pflegerischen Alltag sein wird.


Quellen:


Autorinnen

Vivienne

Vivienne hat 2018 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin abgeschlossen und danach Illustrationsdesign studiert. Während ihres Studiums war sie als Leasingkraft in verschiedenen Einrichtungen in Berlin tätig.

Marie

Marie ist examinierte Kinderkrankenpflegerin, war nach ihrer Ausbildung im Leasing tätig und landete danach als Fachkraft auf der Intensivstation. Mittlerweile arbeitet sie als Rettungsassistentin und studiert Gesundheitspädagogik.

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