Rechnen in der Krankenpflege?

Rechnen in der Krankenpflege?

von Marie

 

Ein viel gefürchtetes Thema in der Gesundheits- und Krankenpflege, aber auch im Rettungsdienst, ist das Aufziehen von Medikamenten, welche intravenös verabreicht werden sollen. Besonders, wenn diese nur in Teilen gegeben werden müssen oder zum Aufziehen sogar verdünnt werden sollen.

Um ein bisschen mit den Vorurteilen aufzuräumen, möchten wir euch eine kleine Übersicht über einfache Rechenwege im Medizin-Alltag geben.

Grundsätze beim Aufziehen von Medikamenten:

Erstmal gilt für alle Darreichungsformen von Medikamenten die 10-R-Regel, oder abgewandelt die 6-R-Regel. Wie war die noch gleich?

1. Richtiger Patient
2. Richtiges Medikament
3. Richtige Dosierung
4. Richtiger Zeitpunkt
5. Richtige Applikationsform
6. Richtige Dokumentation
7. Richtige Aufbewahrung
8. Richtige Anwendungsdauer
9. Richtiges Risikomanagement
10. Richtige Entsorgung

 

Genau. Wenn das alles überprüft wurde, dann gelten natürlich ebenso alle Hygiene-Grundsätze (die von Unternehmen zu Unternehmen durchaus variieren können!)

Kurz genannt seien hier:

  • Händedesinfektion
  • Tragen von Einmalhandschuhen
  • Flächendesinfektion
  • ggf. je nach Medikament noch zusätzliche, wie bspw. das Richten unter dem "Laminar Airflow" (Luftdrucksystem für "sterilen" Umgang mit Medikamenten und bspw. Blutbestandteilen).

Sinnvoll ist zudem das 4-Augen-Prinzip. 2 Personen sehen eben doch mehr als eine allein. So können grobe Fehler von vornherein vermieden werden.

Stellen wir uns nun einen fiktiven Patienten vor.

Paul Müller ist ein Säugling mit einem Geburtsgewicht von etwa 3800g und im Moment 2 Tage alt. Gelegentlich kommt es vor, dass Neugeborene unter einer sogenannten Neugeboreneninfektion leiden. Dagegen werden Antibiotika i.v. über mehrere Tage verabreicht. Gehen wir in diesem Fall vom Apicillin i.v. aus. Die Dosierung liegt bei 50mg/kgKG/8-stdl. -> demnach bei 190mg alle 8h.

Apicillin gibt es als i.v.-Antibiose in den gängigen Verpackungsgrößen von 1g und 2g als Pulver zum Auflösen. Aber wie kommen wir jetzt an die 190mg in einer 30ml Spritze für die Applikation über einen Perfusor?

Rechenweg:

Nutzen wir die 1g-Ampulle dann lösen wir das Pulver mit 10ml Trägerlösung (NaCl oder Aqua) auf. Die entstandene Lösung hat dann also 1g Wirkstoff in 10ml Lösung.

Das entspricht 100mg in 1ml Lösung -> 1000mg(1g) geteilt durch 10ml -> 100mg/ml.

Bevor wir weiter aufziehen können müssen wir unsere Perfusorspritze fertig machen. Dazu ziehen wir 28ml (genau wären es 28,1ml) Trägerlösung (NaCl oder Aqua) in einer 30ml Perfusorspritze auf und legen diese beiseite. Hierbei ist dringend darauf zu achten, dass die Anschlussstelle der Spritze keinen Kontakt mit dem Untergrund hat, um Kontamination zu vermeiden!

Um nun 190mg in die Perfusorspritze zu bekommen müssen wir von unserer Antibiotika-Lösung ja noch die gewünschte Menge aufziehen. Das heißt, wir nehmen uns die Ampulle mit dem aufgelösten Ampicillin und ziehen daraus 190mg auf. Also 1,9ml!

Warum? -> 1ml = 100mg, also 1,9ml = 190mg

Die 1,9ml geben wir nun mit einer Aufziehkanüle in die Perfusorspritze. Die darin enthaltenen 28ml Kochsalz ergeben mit den 1,9ml (diese bitte auch EXAKT aufziehen) dann unsere gewünschte 30ml Perfusorspritze mit 190mg Ampicillin.

Machen wir das ganze noch mit einem beliebten Beispiel aus dem Rettungsdienst.

Hier nutzen wir zur Analgesie, also zur Schmerzreduktion das Medikament Esketamin. Fiese Sache diese Ampullen, denn die Beschriftung darauf zeigt folgendes: 25mg/ml.

Das ist auch korrekt, aber wer genau liest (und das ist bei Medikamenten immer nötig!), der wird feststellen, dass in dieser Ampulle 2ml enthalten sind. Also insgesamt 50mg in der ganzen Ampulle. Steht nur nicht so drauf.

Unser Patient soll nach einem traumatischen Ereignis - bspw. einem Treppensturz - nun 7,5mg Ketanest als Anfangsdosis erhalten.

Jetzt müssen wir uns also die gesamte Ampulle mit 50mg irgendwie sinnvoll verdünnen, um 7,5mg auch sicher dosieren zu können.

Eine Variante:

Ich nehme eine 10ml Spritze und ziehe zuerst 8ml Trägerlösung (NaCl oder Aqua) auf.

Danach ziehe ich in der gleichen Spritze meine 2ml Esketamin (zur Erinnerung: 50mg!) auf und verdünne damit das Medikament in meiner 10ml Spritze zu:

50mg Esketamin in 10ml Gesamtlösung.

Da wir ja 7,5mg geben wollen, kann man mit dieser Verdünnung gut rechnen, denn:

50mg in 10ml heißt es sind 5mg in 1ml (50 durch 10!)

Mit 1ml Lösung gebe ich also 5mg ab. Für die gewünschten 7,5mg brauche ich demnach 1,5ml (7,5 durch 5).

Zweite Variante:

Eine Alternative wäre das verdünnen auf 20ml Gesamtlösung, also 18ml Trägerlösung + 2ml (50mg) Esketamin.

Dann ergibt sich: 50mg in 20ml sind 2,5mg in 1ml (50 durch 20!)

Mit 1ml Lösung gebe ich demnach 2,5mg ab. Für die gewünschte Menge von 7,5mg brauche ich demnach 3ml (7,5 durch 2,5)

 

Vielleicht bringt es ja wieder etwas Klarheit in die Sache mit dem Rechnen. Falls ihr weitere Rechenwege lesen wollt, dann lasst uns gern eine Nachricht zukommen!

Quellen:


Autorinnen

Vivienne

Vivienne hat 2018 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin abgeschlossen und danach Illustrationsdesign studiert. Während ihres Studiums war sie als Leasingkraft in verschiedenen Einrichtungen in Berlin tätig.

Marie

Marie ist examinierte Kinderkrankenpflegerin, war nach ihrer Ausbildung im Leasing tätig und landete danach als Fachkraft auf der Intensivstation. Mittlerweile arbeitet sie als Rettungsassistentin und studiert Gesundheitspädagogik.

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