von Vivienne - ein Erfahrungsbericht
Anlässlich des heutigen Welt-Rheuma-Tages möchte ich einen ganz persönlichen Erfahrungsbericht mit Euch teilen und für Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sensibilisieren.
Um die überschüssigen Schwangerschaftspfunde loszuwerden, begann ich kleinere Workouts zu Hause zu machen. Ich schaute also Youtube-Videos und versuchte, zumindest so oft es in unserem neuen Alltag ging, etwas für meinen Körper zu tun. Doch dann begann das Chaos.
Von einem Tag auf den nächsten schmerzte mein rechtes Knie. Es war dick und gerötet und mir fiel es schwer, vernünftig zu laufen. Vorerst dachte ich, dass ich bei meinen dilettantischen Sportversuchen wahrscheinlich übertrieben habe und glaubte, das Problem würde sich von selbst lösen. Doch dem war nicht so. Das Knie wurde immer dicker und nach einer Woche entschied ich mich, zu meiner Hausärztin zu gehen. Diese teilte meine Vermutung, dass ich mir beim Sport das Knie verhunzt hätte und verschrieb mir 3x täglich Ibuprofen. Ich nahm allerdings nur 2x täglich das verschriebene Medikament, da ich zu diesem Zeitpunkt gestillt habe.
Weitere Wochen mit Schmerzen vergingen und ich humpelte durch meinen Alltag als Mutter. Doch die Beschwerden wurden immer schlimmer, das Knie immer dicker und unbeweglicher. Erneut suchte ich meine Hausärztin auf, da mein Knie mittlerweile eine rote, geschwollene und unkenntliche Murmel war und sich nur noch erahnen ließ, dass es eine Kniescheibe hatte. Ich wurde zum Röntgen geschickt. Ohne Befund. Alles sah wunderbar aus. Nach vier Wochen Ibuprofen und ohne Befund, ging ich also erneut zu meiner Hausärztin. Sie schaute mich nur ratlos an, empfahl das Knie zu kühlen und nicht weiter zu belasten. Das war einfacher gesagt als getan, mit einem Säugling und einer Wohnung in der fünften Etage ohne Fahrstuhl.
Im Laufe der Wochen zeigten sich viele meiner andere Gelenke solidarisch mit meinem Knie, schwollen an und begannen bei der kleinsten Bewegung fürchterlich weh zu tun. Nach ungefähr drei Monaten waren es alle meine Finger, das linke Knie, beide Ellenbogen, beide Fußgelenke und alle Fußzehen. Schlussendlich konnte ich meinen Kopf nicht mehr drehen. Ich brauchte morgens bis zu einer halben Stunde, bis ich aus dem Bett kam, da alles furchtbar steif war und schmerzte. Erneut ging ich zu meiner Hausärztin, mittlerweile verzweifelt und ausgereizt vom permanenten Schmerz und äußerte die Vermutung, dass es vielleicht etwas Rheumatisches sein könnte. Doch meine Hausärztin schüttelte mit dem Kopf. Immerhin war ich doch so jung und es gab keine ähnlichen Erkrankungen in meiner Familie. Nachdem ich allerdings auf eine Lösung bestanden hatte und androhte, die Praxis vorher nicht mehr zu verlassen, wurde ich zu einem Rheumatologen überwiesen. Zu diesem Zeitpunkt lebte ich seit 4 Monaten mit meinem kleinen Sohn und unbehandelten Schmerzen.
Ich erinnere mich noch gut, wie ich im Wartezimmer meines Rheumatologen saß und mich innerlich freute, dass endlich etwas passiert. Das die Schmerzen endlich aufhören würden oder ich zumindest wissen würde, was da in meinem Körper passiert. Doch zu meiner Ernüchterung wurde mir nur Blut abgenommen und ich wieder nach Hause geschickt. Zwei Wochen später erhielt ich meine Blutwerte und saß einem Rheumatologen gegenüber, der nicht wusste, was ich haben könnte. Denn meine Blutwerte waren zwar alles andere als gut, doch haben sie nur einige der klinischen Merkmale einer autoimmunen rheumatischen Erkrankung sowie einen positiven ANA-Titer erfüllt. Es standen mehrere Diagnosen im Raum: Lupus, Rheumatoide Arthritis, Mischkollagenose. Alles Worte, mit denen ich zum damaligen Zeitpunkt nicht viel anfangen konnte. Da mein Rheumatologe nicht wirklich weiterkam, wurde ich von ihm in eine Spezialklinik für Rheumatologie überwiesen. Dort erhielt ich dann endlich eine gesicherte Diagnose, eine sehr großzügige Menge Prednisolon und später Chloroquin. Nach 6 Monaten Ungewissheit, Schmerzen und mehreren Nervenzusammenbrüchen.
Mittlerweile sind 10 Jahre vergangen, in denen ich schubfrei durchs Leben gehe und meine Ausbildung sowie mein Studium absolvieren konnte. Mittlerweile nehme ich einmal wöchentlich Methotrexat und komme ganz gut damit klar. Rückblickend hätte ich mir wesentlich mehr Informationen und Bereitschaft meiner Ärzte gewünscht. Lange wurde ich mit meinen Beschwerden allein gelassen. Eine umfangreiche Beratung, auch in Hinblick auf Ernährungsgewohnheiten (die meine Symptomatik verbessert haben) erhielt ich erst während meines Klinikaufenthaltes - also sechs Monate nach Auftreten der Symptome. Meiner Meinung nach viel zu spät.
Warum erzähle ich das? Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises sind weit verbreitete, aber oft missverstandene Erkrankungen. Je mehr wir über sie wissen, desto besser können wir sie in der Pflege behandeln und/oder in unserem privaten Umfeld damit umgehen.
Je umfangreicher Betroffene informiert sind, desto bessere Entscheidungen können zur Selbstfürsorge getroffen werden. Und je sensibilisierter eine Gesellschaft zu dem Thema ist, desto größer ist deren Wahrnehmung und Akzeptanz gegenüber Betroffenen.
Rheuma ist ein Überbegriff für mehr als 100 verschiedene Erkrankungen, darunter u.a. Rheumatoide Arthritis, Osteoarthritis, Lupus oder Systemische Sklerose. Diese Erkrankungen äußern sich in chronischen Schmerzen und betreffen die Gelenke, können aber auch Muskeln, Sehnen, Bänder und Organe betreffen. Rheuma kann in jedem Lebensalter auftreten (!), betrifft jedoch häufiger ältere Menschen.
Dazu gehören u.a:
Die medikamentöse Behandlung von Rheuma zielt darauf ab, Schmerzen zu lindern, Entzündungen zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Beispiele: Ibuprofen, Naproxen, Diclofenac
Wirkweise: NSAIDs lindern Schmerzen und Entzündungen, indem sie die Produktion von entzündungsfördernden Substanzen (Prostaglandine) hemmen.
Beispiele: Methotrexat, Sulfasalazin, Leflunomid
Wirkweise: DMARDs wirken auf das Immunsystem ein und zielen darauf ab, den Verlauf der Krankheit zu modifizieren, indem sie die Entzündung reduzieren und Gelenkschäden verhindern.
Beispiele: Adalimumab (Humira), Etanercept (Enbrel), Infliximab (Remicade)
Wirkweise: Biologische DMARDs sind speziell entwickelte Medikamente, die auf bestimmte Moleküle im Immunsystem abzielen, um Entzündungen zu reduzieren und das Fortschreiten der Erkrankung zu verlangsamen.
Beispiele: Prednison, Methylprednisolon
Wirkweise: Kortikosteroide sind starke entzündungshemmende Medikamente, die in akuten Schüben eingesetzt werden, um Entzündungen zu unterdrücken und Symptome zu lindern. Sie werden normalerweise nicht langfristig verabreicht, aufgrund ihrer Nebenwirkungen.
Beispiele: Tofacitinib, Baricitinib
Wirkweise: Januskinase-Inhibitoren blockieren bestimmte Enzyme, die an der Entzündungsreaktion beteiligt sind, und reduzieren so die Entzündung und die Gelenksymptome.
Beispiele: Anakinra, Tocilizumab
Wirkweise: Zytokin-Inhibitoren zielen auf bestimmte Entzündungsbotenstoffe ab, wie Interleukin-1 oder Interleukin-6, um Entzündungen zu reduzieren.
Die Behandlung von Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises erfordert eine ganzheitliche Herangehensweise, die medikamentöse und pflegerische Maßnahmen kombiniert. Die Zusammenarbeit zwischen Patienten, Ärzten, Physiotherapeuten und Pflegekräften ist entscheidend. Mit den richtigen Behandlungsansätzen und einer guten Selbstfürsorge können viele Menschen mit Rheuma ein erfülltes Leben führen und die Beschwerden bestmöglich kontrollieren.
Quellen:
Suchst Du was?
Autorinnen
Vivienne
Vivienne hat 2018 ihre Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin abgeschlossen und danach Illustrationsdesign studiert. Während ihres Studiums war sie als Leasingkraft in verschiedenen Einrichtungen in Berlin tätig.
Marie
Marie ist examinierte Kinderkrankenpflegerin, war nach ihrer Ausbildung im Leasing tätig und landete danach als Fachkraft auf der Intensivstation. Mittlerweile arbeitet sie als Rettungsassistentin und studiert Gesundheitspädagogik.
Weitere Services
Rechtliches
Get in touch